INFORMER | spot 07 | das LIWOhaus

INFORMER | spot 07 | das LIWOhaus

Neue Lebenswelten – die Viehofer Höhen
WAS WÄRE WENN?! DIE BEIDEN PLANER FRANK EITTORF UND PROF. ERCAN AGIRBAS WIDMEN SICH IN DIESEM TEIL DER SERIE DER NÖRDLICHEN INNENSTADT. BEREITS BESTEHENDE KONZEPTE GREIFEN SIE DABEI AUF.

Wohin entwickelt sich die europäische Stadt? Wird sie immer smarter, vernetzter, intelligenter?
Oder entstehen Ballungsräume, die infrastrukturell überfordert und sozial segregiert werden? Es verwundert jedenfalls nicht, dass utopische Stadtentwürfe gegenwärtig wieder Konjunktur haben. In der Planungspraxis vor Ort bleibt aber weitgehend die Frage offen, welchem Leitbild Stadtentwicklungsprozesse verpflichtet sind. Denn aller Diskussionen der letzten Jahre zum Trotz stellen wir fest, dass das ungeliebte Prinzip der Funktionstrennung weiterhin das Bild der heutigen Stadt kennzeichnet. Die städtische und architektonische Idealmischung kommt nicht zustande. Die Stadt braucht eine neue Formel – nach 100 Jahren funktionaler Trennung müssen Wohnen und Arbeiten wieder zusammenrücken. Dazu gehört eine Weiterentwicklung des urbanen Selbstverständnisses der Stadtgesellschaft. – Diese Feststellung samt Fragen stammt von der Architektenkammer NRW. Im siebten Teil der INFORMER-Serie ‚Was wäre wenn?!’ gehen die Planer Frank Eittorf und Prof. Ercan Agirbas auf die Aussagen der Kammer ein, dieses Mal inmitten der nördlichen Innenstadt.

„Pendeln ist out, immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Stadt, in den größer werdenden Städten wächst die Anonymität, der Zusammenhalt der Gesellschaft nimmt ab. Je mehr Nachbarn man hat, desto weniger soziale Kontakte ergeben sich, desto mehr schwindet die gegenseitige Fürsorge in der Nachbarschaft“, betont Frank Eittorf. Städte und Wohnräume müssten sich demnach den neuen Parametern der ‚Urbanisierung’ anpassen, der ‚Vereinsamung’ des Menschen entgegenwirken. Es müssten Orte der persönlichen, zugleich zufälligen Begegnung geschaffen werden; dabei sei Co-Living eine gute Alternative, insbesondere für die steigende Zahl der Alleinlebenden, ein Trend der altersunabhängig zu sehen sei. Die New Yorker Trend-Agentur ‚K-Hole’ beschreibt die Entwicklung wie folgt: „Früher wurden Menschen in Gemeinschaften geboren und mussten ihre Individualität finden. Heute werden Menschen als Individuen geboren und müssen ihre Gemeinschaft finden.

„Für diesen Trend wollen wir Lösungen finden; wir benötigen zeitgemäße Lebensräume, die ein Leben als Individuum im Kollektiv ermöglichen, generationsübergreifend. Während in traditionellen Strukturen die Familien dominierten, sind es heute zunehmend andere Lebensformen wie Single-Haushalte, kinderlose Ehepaare, gleichgeschlechtliche Partnerschaften sowie Patchwork-Familien“, erklärt Agirbas. Während andere Länder und Großstädte schon längst umdenken würden, täten sich heimische Immobilien- und Stadtentwickler schwer, neue Wege zu gehen. Eittorf: „Dabei sind es genau diese Themen, die insbesondere dem Ruhrgebiet – einer Region im ständigen Wandel – gut zu Gesicht stehen würden. Allen voran die Stadt Essen, der starke Wirtschaftsstandort der Metropole Ruhr.“ Die beiden Planer halten am ‚GenerationenKultHaus’ von Reinhard Wiesemann ein, der auch das ‚Unperfekthaus’ in der nördlichen Innenstadt begründet hat. „Ein gutes Beispiel für zeitgemäßes Wohnen und Arbeiten, das wir in einem Neubau genau gegenüber ergänzend denken wollen: Co-Living trifft Co-Working“, skizziert Eittorf. Die Bewohner sollen nicht nur unter einem Dach leben, sondern gleichsam zusammen arbeiten können. Neben den eigenen vier Wänden, als Rückzugsort, bieten großzügige Gemeinschaftsflächen die Möglichkeit, sich mit Nachbarn und Arbeitskollegen zum Kochen, zum Sport oder zum Backgammonspielen zu treffen. Neue Arbeitswelten mit flexiblen Arbeitszeiten, individuell oder gemeinschaftlich nutzbar, runden das Projekt ‚Zukunft’ ab. Eittorf: „Wohnen und arbeiten für ‚Jedermann’, ob jung oder alt, mit Anzug oder Kaputzenpulli, Skateboard oder Rollator. Jedermann ist willkommen, das gilt sowohl für das bestehende GeKu-Haus nebenan als auch für seinen neuen Nachbarn, dem neuen LIFEWORK-Haus, und für folgende Projekte im neuen Innenstadtquartier.“

das LIFEWORK-HAUS
Abermals skizzieren die beiden Planer einen Baustein ihrer Vision vom Leben in der Essener Innenstadt. Und sie fragen erneut: Was wäre wenn?! Auch das LIWO-Haus steht für eine Gemeinschaft aus fortschrittlichen Individuen, die das Abenteuer ‚Alltag’ zeitgemäß leben wollen. „Wir wollen diese neue Lebensphilosophie in Architektur, in Stadt übersetzen; daher sehen wir den gesamten nördlichen Innenstadtbereich als Experimentierfeld für neue Lebensformen, frisch, bunt, dynamisch – individuell und gemeinschaftlich zugleich“, so Agirbas. Der zweigeschossige Bestand der Viehofer Straße 30 bis 34 bleibt, lediglich die neuen Versorgungskerne würden die beiden Bestandsgeschosse minimal an vier Stellen durchstoßen. „Die Kerne sollen das LIWO-Haus erschließen, versorgen und insbesondere tragen. Oben lebt die Individualität, unten die Gemeinschaft, das Kollektiv“, sagt Eittorf. Doch welche weiteren Anforderungen hat ein solches Gebäude? Wie könnte die Architektur aussehen? Der ungewöhnliche ‚Planbereich’ direkt über dem Dach des Bestands wird die neue O-Ebene des neuen LI-WO-Hauses. Dort befindet sich der Empfang, der eher öffentliche Co-Working-Bereich und flankierende Gärten sowie Sportmöglichkeiten. Oben, der Hektik der City abgerückt, befinden sich die Wohneinheiten, ein-, zwei- oder dreigeschossig für Singles, Doubles & Familien. Wie beim neuen Turm des Willy-Brandt-Tors (Ausgabe 11/2017), definiert hier jeder Bogen eine Wohneinheit mit Terrasse.

ESSEN 2030, ALLTAG IM LIFEWORK-HAUS
8.00 Uhr, daheim:
Der Wecker schellt. Entspannt stolpere ich ins Bad, wohl wissend, dass ich weder Stau noch Wartezeiten von Bus und Bahn zu befürchten habe, mein Weg zur Arbeit ist überschaubar – drei Geschosse nach unten. Zähne putzen, duschen – Abmarsch.
8.30 Uhr, CoWORKINGspace: Ich treffe mich mit Aiello und Nils, sie sind geschäftlich in Essen. Beim Frühstück wollen wir unsere nächste Veranstaltung besprechen, nach 2,5 Tassen Kaffee steht das Programm. Ich frage: „Hat heute Abend jemand Lust auf Barbecue? Beginn 19h auf der Südterrasse?!“ „Ja, mal sehen. In jedem Fall wollte ich heute noch zum Sport – und danach mal in eure Sauna gehen“, antwortet Nils. Aiello: „Ich kann leider nicht, bin schon eingeladen. Ein paar Jungs vom Geku-Haus machen eine WG-Party, ich lege auf, kommt doch dazu.“
9.30 Uhr CoWORKINGlounge: Mails, Mails und noch mehr Mails, zwei Telefonate führen und noch mehr Kaffee trinken. …die Tür öffnet sich und Esat kommt her- ein… „Ich gehe jetzt einkaufen – ich bin heute für das Gemüse zuständig.“„Das trifft sich gut. Kannst du mir Knabberzeug mitbringen? Ich komme gerade nicht weg.“„Klar, bis später.“ …
12.35, Café Konsumreform im Ge-Ku-Haus gegenüber: Später als gedacht, ich habe Hunger. Izabela, Kristina und Hendrik sind schon da; die Mädchen essen vegetarisch, das können wir auch – Kartoffelgratin, dazu ein kleiner Salat und ein Espresso – Lecker.
13.25 Uhr, Empfang im LIWOhaus: Auf dem Rückweg hole ich meine Wäsche ab. Unser Concierge Elias ist unsere Post- und Paketannahmestelle; er kümmert sich bei Bedarf um Wäsche und Einkäufe, kennt jeden – und weiß noch viel mehr. Kurz, die Seele des Hauses. „Elias – tu viens pour le Barbecue?“ „Klar – ich habe für alle Würstchen und Merguez besorgt“, antwortet er voller Vorfreude.
13.30 Uhr, daheim: zum Powernapping, das Nickerchen zwischendurch. Luxus pur. Danach, Haare richten, Zähne putzen, raus.
14.15 Uhr, CoWORKINGruhe-box: Ausgeschlafen setze ich mich entspannt an die neuen Themen zum nächsten Spot. Was wäre wenn?! Danach: Feierabend. Beim Rausgehen frage ich in die Runde, wer Lust auf ein kleines Basketballspiel hat. Ercan, Pascal und Hendrik sind dabei, Nils und Aiello spielen schon…
17.00 Uhr, BALKONsport: Kenan kommt spontan mit einem Freund dazu, vier gegen vier. Der perfekte Work-Out nach Feierabend, der Kopf ist frei. Ich liebe es!
19.00 Uhr, BALKONgarten: Fast die gesamte Nachbarschaft ist da: Esat hat Gemüse und Knabberzeug besorgt, Izabela und Daniela bringen Dips und Brot mit. Elias, der Concierge, bringt das Grillfleisch – und das Wichtigste – er hat die hauseigene Außenbar mit Stauder bestückt. Es schmeckt gut – und läuft noch besser im LIWOhaus.
21.45 Uhr GeKu-Haus: Aiello winkt vom Balkon gegenüber, leitet den Seitenwechsel zur WG-Party ein, Reinhard ist Gastgeber. Gleichgesinnte feiern das gelungene Reanimieren der Essener Innenstadt. Stauder trinkt man auch hier – Prosit Essen!
23.50 Uhr GeKu & LIWO: Gute Nacht, oder: fit für den nächsten Tag. Aiello und Nils verschwinden im Gästeappartement des LIWO-Hauses, sie sollen uns morgen beim Bowling unterstützen. Gekus & LIWOs treten im reaktivierten Bowling-Center auf der Schützenbahn gegeneinander an. Die Nachbarschaft gewinnt, individuell und doch gemeinschaftlich. Was wäre wenn?!   pHes

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