INFORMER | spot 05 | BURGsportPLATZ

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Sportlich hoch hinaus – auf dem Burgplatz
WAS WÄRE WENN?! DIE BEIDEN PLANER FRANK EITTORF UND PROF. ERCAN AGIRBAS WIDMEN SICH IN DIESEM TEIL DER SERIE DEM GRÜNDUNGSORT VON STADT UND STIFT ESSEN, DEM ZENTRALEN BURGPLATZ UNWEIT DES ESSENER DOMS.

Er gilt als das historische Zent-rum der Stadt Essen: der Burgplatz inmitten der Innenstadt, umringt von Volkshochschule, Münsterkirche, Burggymnasium und Baedekerhaus. Einst befand sich auf dem Areal eine umwehrte Hofanlage, von der vermutlich im neunten Jahrhundert die Gründung des Stiftes Essen ausging. In den 1920er und 1940er Jahren grub der Stadtarchäologe Dr. Ernst Kahrs – er war von 1910 bis 1948 Direktor des Ruhrlandmuseums – unter anderem auf dem Burgplatz. Über die Jahrhunderte wurde der Platz oftmals verändert. Kahrs legte umfangreiche Mauerreste frei, darunter eine in Nord-Süd-Richtung verlaufende Bruchsteinmauer mit angrenzendem Spitzgraben und Palisaden. Sie bildeten vermutlich die Umwehrung des Stiftsbezirks, von der sich die Bezeichnung ‚Burg’ ableitet. Diese Anlagen gehören trotz fehlender Datierungen in die Zeit deutlich vor der Er- richtung der Essener Stadtmauer von 1244. Bei späteren Grabungen entdeckte Kahrs zwei Meter dicke Mauerreste eines abgebrannten, aber vermutlich repräsentativen Bauwerks auf einer 18 mal 21 Meter großen Fläche vor dem heutigen Burggymnasium. Die mächtigen Fundamente der Ausgrabung weisen, nach der heutigen Interpretation, auf einen Steinturm hin, der wahrscheinlich nach dem Jahr 1000 errichtet wurde. Bis heute gibt der Turm der hiesigen Stadtarchäologie Rätsel auf.

„Der Burgplatz von heute, er ist ein Ort der Begegnung – für Lernende an der Volkshochschule, am Burggymnasium sowie für die geistige Begegnung im Essener Münster. Der Burgplatz von morgen: Wir ergänzen ihn um einen Treffpunkt der bewegten Begegnung. Wir setzen dort einen ‚sportlichen’ Hochpunkt mit historischen Bezügen“, betonen die beiden Planer Frank Eittorf und Professor Ercan Agirbas.

DER BURGSPORTPLATZ
Im ‚November-Spot’ am Willy-Brandt-Platz haben sich beide bereits der Essener Stadtgeschichte bedient, genauer der Inspirationsquelle des Turmes auf der ehemaligen Hauptpost um 1900. Eittorf: „In unserem neuen Spot beziehen wir uns auf jenen rätselhaften Steinturm um etwa 1000 nach Christus. Diesen wollen wir an nahezu gleicher Stelle, im nördlichsten Teil des Schulhofs des Burggymnasiums, wieder aufbauen – nicht nur als Erinnerung der historischen Bedeutung des Burgplatzes, des Stiftbezirks als Keimzelle Essens. Wir wollen einen städtebaulichen Hochpunkt zur Schützenbahn / Gildehofstraße setzen und auf der anderen Seite einen angemessenen Abschluss zum Burgplatz schaffen. Außerdem beabsichtigen wir den Burgplatz mit Menschen, mit bewegten Nutzern zu beleben. Es soll sportlich werden. Der Schulhof unter dem Turm bleibt, zudem regengeschützt.“

Mit ihrer Planung greifen die beiden Planer mitunter die Worte von Michael Imberg auf. Er ist Direktor der Volkshochschule und formulierte zu Semesterbeginn im Herbst 2017: „Es ist unverkennbar: Die Begeisterung für das städtische Leben erlebt eine wahre Renaissance. Die Stadt ist tot, es lebe die Stadt! Neue Lebensideale prägen das urbane Miteinander, neue Herausforderungen bedürfen unseres Einfallsreichtums – geistig, politisch, kulturell, ökonomisch und architektonisch. Im lebendigen Organismus namens Stadt ist alles im Fluss. Städte bestehen nicht nur aus Häusern, Brücken, Straßen. Städte sind auch und vor allem Menschen, die soziale Beziehungen eingehen, sie pflegen oder wieder lösen. Menschen, die Sinn stiften oder provozieren.“ Die Stadt könne nicht als ein Haus, sie müsse als soziales Gebilde beschrieben werden. Oder wie es der berühmte Stadtsoziologe Henri Lefebvre in seiner Forderung so treffend formuliert: „Das Recht auf Stadt ist ein gesamtgesellschaftliches Anrecht auf Bewegung, Teilhabe, Austausch, das große Fest und einen kollektiv gestalteten und genutzten städtischen Raum.“

Die heutige Gesellschaft, da sind sich Frank Eittorf und Prof. Ercan Agirbas sicher, bieten ganz eigene Herausforderungen. Agirbas: „In Zeiten von wachsendem Stress durch Schule und Eltern, Leistungsdruck durch Arbeitgeber sowie Familienpflichten, durch Social Media und Gesellschaft wächst die Bedeutung von Gesundheit stetig. Themen rund um Ernährung und Bewegung rücken immer mehr in den allgemeinen Fokus; gesunde und bewusste Ernährung wird zum Standard, vegane Ernährung ist in den Supermärkten angekommen und demnach schon lange keine Randerscheinung mehr.“ Eittorf ergänzt: „Ähnlich ist der Umgang mit Geist und Seele: Meditation, Tai Chi und Yoga finden immer mehr Anhänger für die geistige und körperliche Balance. Kirche und Volkshochschule informieren, bieten Kurse an, bilden aus. Hier setzen wir an mit unserer Planung, dem BURGSPORTPLATZ.“

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Burgplatz ebenso als Versammlungsort, für Kundgebungen und Großveranstaltungen genutzt. Auch heute dient er als Ort für kollektiv genutzten städtischen Raum, insbesondere bei schönem Wetter. „Wir ergänzen mit sportlichen Aktivitäten zum allgemeinen Stress- und Aggressionsabbau sowie zur Kontakt- und Teambildung, wetterunabhängig. Der Burgplatz wird vertikal sportlich ergänzt, bekommt eine bewegte Fassade mit Ein-, Aus- und Weitblick“, so Eittorf. In Zeiten von Spielekonsolen, Computerspielen und e-Sport wollen die beiden Planer die jungen Couch-Fußballer zurück in die ‚reale’ Bewegung bringen. „Daher stapeln wir Sportfelder: Der Burgplatz wird in Teilen vertikal, er wird zum BURGSPORTPLATZ. Dabei liegt unser Fokus insbesondere auf den gängigen Teamsportarten Fußball, Basketball und Volleyball, außerdem soll ein neues Schwimmbad den Wegfall des Hauptbades auffangen. Jugendliche und jung gebliebene Erwachsene treffen sich informell und spielen, organisieren sich mit der Zeit selbst – ohne Vereinszeiten. Gleiches gilt für jene, die nach Feierabend noch ein paar Körbe werfen wollen, auch wenn es im Büro einmal später wird“, erklärt Frank Eittorf.

BLICK IN DIE ZUKUNFT
Die Vision: Das Burggymnasium könne seinen Sportunterricht thematisch ausweiten und differenzieren und nach dem Wegfall des Hauptbades Schwimmunterricht auf, beziehungsweise über dem Schulhof anbieten. Die Volkshochschule könnte zum Sport, zu Schwimmkursen für jung und alt einladen. Anders als andere Sportanlagen solle der neue Turm zur freien Verfügung stehen, zu jeder Tages- und Nachtzeit den Burgplatz in Bewegung bringen, das Leben auf dem Platz bereichern. „Gewohnt wird nebenan. Um die Lebensqualität von ‚morgen’ nachhaltig zu sichern, gilt es den Fokus der Wohnnutzung sinnvoll zu ergänzen. Der neue Essener ernährt sich gesund, fährt mit dem Rad und trifft sich zum Verweilen, Austausch und Sport auf dem BURGSPORTPLATZ“, erklärt Eittorf.

Dann blicken die beiden Planer ein weiteres Mal in die Zukunft, ins Jahr 2o30: Der Essener ist kein Couch-Fußballer mehr. Er wohnt in der Innenstadt, überquert die Kettwiger Straße und trifft seine Montagsgruppe auf der neuen Freitreppe gegenüber. Darunter sind die Umkleiden: umziehen – und los geht’s. Die Jungs spielen von unten nach oben, ein Triathlon im SchulstundenRhythmus. Auf der ersten Platzebene wird mit Basketball angefangen, im zweiten Drittel gibt es Volleyball auf Ebene zwei. Im letzten Drittel wird Fußball gespielt, auf Ebene drei. Derweil schwimmen die Mädels auf dem Dach, tauchen und springen über der Stadt, beheiztes Schwimmen in der Ruhr-Metropole mit Weitblick. Geduscht treffen sich Jungs und Mädels in der Skybar, getrunken wird Stauder, der Weitblick bleibt, das große Fest kann beginnen. Abermals skizzieren die beiden Planer Frank Eittorf und Prof. Ercan Agirbas ihre Vision vom gesunden Leben in der Essener Innenstadt. Und sie fragen: WAS WÄRE WENN?! pHes
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